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Wir stellen aktuell einen erhöhten Informationsbedarf in der Öffentlichkeit beim Thema Mikroplastik und Nanoplastik fest. Grund ist eine Veröffentlichung von Qian et al. (Columbia Universität)1, welche über eine hohe Anzahl von Nanoplastik-Partikeln in Wasser aus PET-Flaschen berichtet und die teilweise auch medial aufgegriffen wurde. Da diese Veröffentlichung in wesentlichen Punkten zumindest problematische Behauptungen aufstellt, ist es uns ein Anliegen, hier gesicherten Forschungsstand auf einen Blick zusammenzufassen und von den Ergebnissen der Columbia-Studie abzugrenzen.

A. Gesicherter Wissenstand

Die TU München, School of Life Sciences, hat von 2017-2021 in einem großen Forschungsprojekt2

wegweisende Ergebnisse zu Mikropartikeln in der aquatischen Umwelt und in Lebensmitteln erarbeitet.

Diese umfassen u. a.:

  1. Entwicklung zuverlässiger Analyseverfahren
    1. Etablierung einer zuverlässigen Nachweismethodik für Mikroplastik (MP)
    2. Entwicklung des „TUM-Particle-Typer“ und damit Automatisierung der Raman-Mikrospektroskopie zum Nachweis von MP
    1. Entwicklung und Validierung von Verfahren zur Isolierung von Mikroplastik, z.B. aus Grundwasser und abgepacktem Wasser
  1. Einordnung der Wirkungen von MP auf Lebewesen (hier Gewässerorganismen)
    1. Entwicklung neuer Verfahren zur Bewertung der ökotoxikologischen Wirkung von MP auf Gewässerorganismen
    2. Erkenntnisse, dass die untersuchten MP-Partikel sich in ihrer Wirkung nicht wesentlich von natürlich in der Umwelt vorkommenden Partikeln wie Sand unterschieden
  2. Sicherung von Lebensmittelherstellungs- und -verarbeitungsprozessen
    1. Identifikation potenzieller Eintragswege für MP in Lebensmittel
    2. Optimierung von Herstellungsprozessen

Die TU München ist auch an dem internationalen Normungsprojekt zur Analyse von Mikroplastik (ISO/TC 147/SC 2/JWG 1 "Joint ISO/TC 147/SC 2 - ISO/TC 61/SC 14 WG: Water quality — Analysis of microplastics in water) beteiligt. Mit der Verabschiedung der Norm wird zum Jahresende 2024 gerechnet. Dann wird erstmals eine verlässliche und breit anwendbare Analytik von MP-Partikeln auch außerhalb des MiPAq-Projekts zur Verfügung stehen.

Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung ordnet die potentiellen Wirkungen von Mikroplastik analog ein und sieht aktuell keine gesundheitlichen Risiken für den Menschen. Zwar konstatiert das BfR, dass, wie in der gesamten Umwelt auch in Lebensmitteln vereinzelt Kunststoffpartikel nachgewiesen werden. Das BfR stellt aber fest: „Bei Mikroplastikpartikeln, die kleiner als 1 mm sind, ist davon auszu- gehen, dass diese vollständig über den Darm wieder ausgeschieden werden.“3

B. Die Studie Qian et al der Columbia University: Behauptungen und Fakten

Die Studie von Qian et al genießt vor allem deshalb Aufmerksamkeit, weil Sie einige Behauptungen mit Blick auf abgepacktes Wasser aufstellt, die jedoch einer genaueren Betrachtung nicht standhalten. Das hat seinen Grund in deutlichen Schwächen der Studie im Hinblick auf die Analytik der abgepackten Wasserproben und insbesondere die Ergebnisbewertung durch Qian et al. Nachfolgend eine Einordnung einiger Behauptungen4:

    1. Behauptung von Qian et al.: Die verwendete neue RAMAN-SRS (stimulierte Raman-Streuung)- Methodik kann Partikel bis zur Größe von 100 Nanometern erkennen.
      Bewertung: Die Methode kann grundsätzlich Partikel bis 130 nm Größe erkennen. Methoden zur Erkennung von Nanopartikeln befinden sich jedoch noch in der Entwicklungsphase. Beson- dere Herausforderungen bei Nanoplastik-Untersuchungen sind starke Kontaminationen, wes- halb die Messung von Blindproben unerlässlich ist, um diese Einflüsse weitgehend ausschlie- ßen zu können. Kurz: Die Analytik ist noch nicht zuverlässig.
    2. Behauptung von Qian et al.: Es seien zwischen 110.000 und 370.000 Nanoplastik-Partikel pro Liter abgepacktes Wasser gefunden worden.
      Bewertung: Es wurden zuerst Blindproben mit hochreinem Wasser durchgeführt. Das führte jedoch zu noch höheren Partikelzahlen als bei den eigentlichen Wasserproben. Es wurden dann nur noch Filter als Blindproben untersucht, so dass die hohe Zahl der gemessenen Nano- partikel auch komplett durch Kontaminationen bei der Probenvorbereitung (Filtration vom Wasser) erklärt werden kann. Kurz: Das Ergebnis von Qian et al. ist nicht zuverlässig.
    3. Behauptung von Qian et al.: Das Team habe eine neue Methode zur Partikelidentifikation ent- wickelt, wodurch hohe Gehalte anderer Kunststoffe als PET gefunden wurden.
      Bewertung: Zur Identifizierung wurden nur sehr wenige Referenzspektren eingesetzt, was ty- pisch ist für die SRS-Methodik. Darunter war nur eine Nicht-Plastik-Referenz (E.Coli Bakterien). Somit konnten typische, häufige Kontaminationen durch natürliche Stoffe wie Cellulose, Pro- teine etc. fälschlicherweise dem Nanoplastik zugeordnet werden. Kurz: Auch dieses Ergebnis von Quian et al. ist unbrauchbar.
    4. Behauptung von Qian et al.: Der hohe Anteil gefundener Polyamid (PA)-Partikel stamme wahr- scheinlich von verwendeten Plastikfiltern vor der Abfüllung des Wassers.
      Bewertung: Hier handelt es sich um eine bereits widerlegte Behauptung: MiPAq zeigte, dass der Prozessweg von der Quelle zur Abfüllung nahezu keine Kunststoffpartikel einträgt. Die Tatsache, dass in zwei von drei analysierten Flaschen mehr Nanoplastik-Partikel aus PA als aus PET detektiert wurden, deutet stark darauf hin, dass proteinhaltige Partikel (z.B. Hautschup- pen) fälschlicherweise als PA identifiziert wurden. Kurz: Auch diese Behauptung von Quian et al. ist nicht haltbar.
    5. Behauptung von Qian et al.: Leider werden Aussagen, etwa zur Toxizität der Partikel aufgestellt, die nicht bewiesen werden.
      Bewertung: „MiPAq“ zeigte, wie viele andere Studien auch, dass sich Mikroplastik in leben- den Geweben nicht anders verhält wie natürliche Partikel. Zum Verhalten von Nanoplastik lassen sich aktuell keine wissenschaftlichen Aussagen treffen, es wird diskutiert, dass es problematischer sein könne. Kurz: Die diesbezüglichen Behauptungen von Quian et al. sind nicht haltbar.

1 Columbia University Mailman School of Public Health, Bottled water can contain hundreds of thousands of nanoplastics, www.publichealthcolumbia.edu/news, abgerufen am 26.01.2024
2 TUM School of Life Sciences, “Mikroplastik: Forschungsprojekt der TU München mit wegweisenden Ergebnissen, Presse- mitteilung vom 08.07.2021, https://www.ls.tum.de/ls/presse/aktuelles/nachricht-detail/article/mikroplastik-forschungs- projekt-der-tu-muenchen-mit-wegweisenden-ergebnissen/

3 Bundesinstitut für Risikobewertung, Viele Menschen über Mikroplastik besorgt, Pressemitteilung vom 08.05.2023 und FAQ des BfR, Mikroplastik: Fakten, Forschung und offene Fragen vom 05.06.2019

Zum Autor:
TU München, School of Life Sciences

Foto: Artem Podrez, pexels