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Fast alle Lebensmittel in Deutschland sind mit dem ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent belegt. Dazu zählen Grundnahrungsmittel wie Obst und Gemüse, Milch und Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Eier, Honig sowie Getreideerzeugnisse und Backwaren. Alle Getränke sind von der Ermäßigung ausgenommen und werden mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belegt. So kommt es, dass für Möhren sieben Prozent Steuern und für Möhrensaft 19 Prozent zu zahlen sind. Bei Trinkwasser aus der Leitung sind sieben Prozent fällig, Mineralwasser dagegen wird mit 19 Prozent besteuert. Um die Menschen zu einer gesünderen Ernährungsweise zu bewegen, wird von der Politik mit ihren zuständigen Ministerien seit 50 Jahren periodisch die Besteuerung bestimmter Lebensmittel erwogen. Danach sollen Produkte die als weniger günstig für die Gesundheit eingestuft werden teurer, und die als gesundheitlich günstig erachteten Lebensmittel billiger werden. Diese Bemühungen zu einer Verbesserung des Ernährungsverhaltens der Verbraucher haben in der Vergangenheit zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Ein entscheidender Streitpunkt war immer die Frage wer diese Einstufung vornimmt, ein anderer welche Lebensmittel mit Steuern belastet oder entlastet werden.

Bereits 1968 wurde aus sozialen Gründen der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auf Lebensmittel eingeführt um die Ausgaben für den lebensnotwendigen Bedarf in einem zumutbaren Rahmen zu halten und einkommensschwache Haushalte zu entlasten, etwa Familien, Alleinerziehende, Bezieher niedriger Einkommen sowie Rentner. Obwohl die gesundheitsschädliche oder gesundheitsfördernde Wirkung eines Lebensmittels auch eine Frage der Menge ist, bestand immer große Einigkeit darüber, dass der Verzehr von Lebensmittel die entweder recht süß, sehr fett oder übermäßig salzig sind, potentiell zu Übergewicht führen kann. Starkes Übergewicht erhöht unter anderem das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Bluthochdruck und Krebs. Gemüse, Obst und Vollkornprodukte dagegen sind eher für ihr gesundheitsförderndes Potential bekannt. Dafür verantwortlich sind unter anderem die Sekundären Pflanzenstoffe sowie die nur in Pflanzen vorkommenden Ballaststoffe.

In anderen Ländern werden bereits Steuern auf kritische Lebensmittel erhoben. So gibt es in Frankreich seit 2012 eine Steuer auf gesüßte Getränke, auch in Mexiko ist eine entsprechende Steuer auf zuckerhaltige Getränke in Kraft. In Großbritannien haben Getränkehersteller eine Zuckerabgabe zu leisten. Auch die für die Gesundheit der Menschheit zuständige Weltgesundheitsorganisation (FAO) setzt sich für Sondersteuern auf mit Zucker gesüßten Getränken ein. In Ländern wie Dänemark wurde eine Fettsteuer eingeführt, Ungarn erhebt eine Junk-Food-Steuer. In Peru und Irland sind Steuern auf ungesunde Lebensmittel in der Planung. Auch einige Städte in den USA haben eine Sondersteuer auf zuckerhaltige Getränke eingeführt. Dadurch sei der Absatz von Softdrinks um 21 Prozent gesunken. Außerdem änderten Hersteller von Fertigprodukten nach Steueranpassungen häufig ihre Rezepturen und reduzierten Zucker und Fett um einer höheren Steuer zu vermeiden.

Ein kürzlich vorgeschlagenes Ampel-Modell sieht für Gemüse und Obst keine Steuern vor, sieben Prozent Steuer sollen für normale Lebensmittel wie Fleisch, Milch oder Nudeln fällig werden und Produkte die reichlich Zucker, Salz oder Fett enthalten, werden mit 19 Prozent besteuert. Das betrifft in erster Linie vielerlei Süßigkeiten und Chips, aber auch Fertiggerichte. Betroffen wären Lebensmittel mit mehr als 20 Prozent Fett, fünf Prozent gesättigten Fettsäuren, 12,5 Prozent Zucker oder 1,5 Prozent Kochsalz. Für Softdrinks würde sogar ein Steuersatz von 29 Prozent gelten. Die Umsetzung dieser Steuervorschläge könnte dazu beitragen, das derzeit weiterhin zunehmende Übergewicht und ihre Folgekrankheiten zu reduzieren und die damit verbundenen Krankheitskosten spürbar zu senken. Allerdings entsteht Übergewicht nicht alleine durch eine falsche Ernährung sondern unter anderem auch durch Veranlagung, Bewegungsmangel und Stress. Scharfe Kritik auf die Steuervorschläge kommt erwartungsgemäß von der Lebensmittelindustrie mit dem Argument, dass sie eine Bevormundung des Verbrauchers ablehnen. Dabei können sich die Verbraucher ohne Argumentationshilfe der Industrie selber entscheiden, was sie für richtig halten. Die Befürchtung, dass die meisten Menschen bereit sind mehr für Softdrinks und Fertigprodukte zu bezahlen, wurde durch die Ergebnisse der genannten Studie aus den USA widerlegt, der Verkauf ist gesunken. Auch in Dänemark kauften die Verbraucher unter der Fettsteuer weniger gesättigtes Fett und mehr Gemüse, dafür allerdings mehr salzige Produkte.

Differenzierte Steuern auf Lebensmittel haben den Vorteil, dass eine positive Konsumveränderung stattfinden kann. Ein Beispiel ist die Erfahrung mit Alcopops. Die deutliche Verteuerung dieses alkoholhaltigen Süßgetränks führte zu einem kräftigen Rückgang ihres Konsums. Dass die Verbraucher auf Vorschläge der Politik zum Essen und Trinken sehr empfindlich reagieren können, zeigte sich als die Partei der Grünen eine fleischfreie Mahlzeit pro Woche in Schulen ins Wahlprogramm aufgenommen haben. Steuern ist ein heikles Thema, aber darüber stimmt nicht das Volk sondern das Parlament ab. Steuern sind aber eine Möglichkeit um durch eine Veränderung der Verhältnisse der Ernährung, auch das Ernährungsverhalten zu verändern. Die freie Entscheidung des Verbrauchers ist dadurch nicht betroffen.

Prof. Dr. Claus Leitzmann ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Verbandes für unabhängige Gensundheitsberatung (UGB) und Wissenschaftlicher Mentor des Instituts für alternative und nachhaltige Ernährung (IFANE), sowie langjähriges IG FÜR Ehrenmitglied.

Prof. Dr. rer. nat. Claus Leitzmann

Text von Prof. Dr. rer. nat. Claus Leitzmann

Foto: Fotolia